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Haben Außertarifliche Mitarbeiter Anspruch auf Altersfreizeit?

Sascha Held • 20. Februar 2020

Voraussetzungen für den Anspruch auf Altersteilzeit als außertariflicher Mitarbeiter

Vor etwas mehr als zwei Wochen bin ich der Einladung einiger Betriebsräte eines Unternehmens der chemischen Industrie in Hanau gefolgt. Sie hatten mich gebeten ihren AT Mitarbeitern ihre Rechten und Pflichten, die Gesetzeslage zu AT Entgelten und zur Altersfreizeit für außertarifliche Mitarbeiter näher zu bringen.

Der Vortrag verlief sehr gut. Vor allem der Punkt Altersfreizeit ist in diesem Unternehmen gerade ein richtiges Brandthema. Die Unternehmensleitung hat den AT Mitarbeitern die Altersfreizeit gestrichen, um Kosten zu sparen. Die Diskussion mit den Mitarbeitern fand ich so spannend, dass ich mich entschlossen habe die Kernpunkte hier im Blog nochmals für Euch alle zusammenzufassen.

Woher kommt der Anspruch eines Mitarbeiters auf Altersfreizeit?

Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf Altersfreizeit. Entweder falle ich als Mitarbeiter unter den Geltungsbereich eines Tarifvertrags der die Altersfreizeit regelt, es gibt eine Betriebsvereinbarung zur Altersfreizeit in meinem Betrieb (hauptsächlich für AT da §77 (3) BetrVG dies für Tarifmitarbeiter meist ausschließt), oder ich habe eine Regelung in meinem Arbeitsvertrag.

Welche Tarifverträge der chemischen Industrie gewähren einen Anspruch auf Altersfreizeit?

Für Tarifmitarbeiter ergibt sich der Anspruch aus dem „Manteltarifvertrag für die chemischen Industrie West“ (MTV Chemie), für außertarifliche Mitarbeiter aus dem „Manteltarifvertrag für akademische Angestellte in der chemischen Industrie“ (MTV Akademiker).

Grundsätzlich muss der Mitarbeiter Mitglied einer Vertragsschließenden Partei (z.B. der IG BCE) sein, um Anspruch auf die Leistungen des Tarifvertrags zu haben. Im Tarifbereich ist es jedoch üblich, dass Arbeitgeber die Arbeitsverträge von Tarifmitarbeitern mit einer Klausel ausstatten, die Mitarbeitern die Anwendung der Tarifverträge zusichern. Dies geschieht, damit Mitarbeiter möglich wenig Anreiz haben, sich der Gewerkschaft anzuschließen. „Ich bekomm es doch auch so“.

In AT Verträgen sehen Arbeitgeber diese Notwendigkeit jedoch eher selten, da unter AT Beschäftigten die Bereitschaft sich in Gewerkschaften zu organisieren eher gering ausgeprägt ist. Zusätzlich ist der Geltungsbereich des MTV Akademiker sehr eng gefasst, so dass er selbst für Gewerkschaftsmitglieder nicht unbedingt zur Anwendung kommt.

Für wen gelten die Leistungen des MTV Akademiker?

Ohne Bezugnahme auf den MTV Akademiker im Arbeitsvertrag gilt der MTV Akademiker nur für Angestellte mit,
•    Abgeschlossener naturwissenschaftlicher oder technischer Hochschulbildung
•    Sofern Sie überwiegend eine Tätigkeit ausüben, für welche diese Hochschulbildung Voraussetzung ist
o    Abgeschlossene Hochschulbildung in diesem Sinne setzt ein Abschlussexamen einer Fakultät oder eines Fachbereiches mit eigenem Promotionsrecht voraus, das seiner Art nach zur Promotion berechtigt und für das nach der Studien- und Prüfungsordnung eine mindestens achtsemestrige Studiendauer ohne Einrechnung etwaiger Praxissemester erforderlich ist; dem steht, sofern ein solches Abschlussexamen im Studiengang nicht vorgesehen ist, die Promotion gleich.

Kurz zusammengefasst sind das Diplom- oder Masterabsolventen einer Universität sowie Promovierte aus naturwissenschaftlichen oder technischen Fachbereichen.

Diplom- oder Masterabsolventen einer Fachhochschule bzw. jedweder Bachelorabsolvent fallen grundsätzlich nicht unter diesen Tarifvertrag.

Die Hochschulbildung muss explizit für die ausgeübte Tätigkeit benötigt werden. Das ist bei einem Bauingenieur oder Laborleiter unstrittig. Bei einem Einkäufer für technische Dienstleistungen wird es bereits oftmals diskutiert und bei einem HR Mitarbeiter stehen meistens andere Kenntnisse und Fähigkeiten im Vordergrund, so dass der MTV Akademiker auch hier nicht zum Tragen kommt, selbst wenn die Hochschulbildung vorhanden ist.

Zusammengefasst müssen drei Dinge gegeben sein: Die korrekte Hochschulbildung, eine Stelle, die diese Hochschulbildung voraussetzt und die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft.

Wie kann ich prüfen, ob der MTV Akademiker für mich gilt?

Als erstes solltet ihr euren Arbeitsvertrag prüfen. Ist dort kein Verweis auf den MTV Akademiker vorhanden gilt er definitiv nur für euch, wenn ihr Gewerkschaftsmitglied seid. Ist der MTV Akademiker in eurem Arbeitsvertrag explizit erwähnt, habt ihr auch ohne Mitgliedschaft Anspruch. Er gilt dann im Übrigen auch, wenn ihr z.B. ein kaufmännisches Studium abgeschlossen habt, bzw. auf einer kaufmännischen Stelle arbeitet. Natürlich lohnt es sich dennoch Mitglied einer Gewerkschaft zu sein, z.B. für die Rechtsberatung.

Gibt es keinen Verweis auf den MTV Akademiker, aber man ist Gewerkschaftsmitglied stellt sich die Frage, nach der Hochschulbildung und der Stelle. Dies ist oft nicht einfach zu beantworten und gerade, wenn der Arbeitgeber bestimmte Leistungen wie die Altersfreizeit nicht gewähren möchte hilft nur ein Anwalt, der die Situation überprüft.

Glücklicherweise übernimmt die IG BCE diesen Service kostenlos für ihre Mitglieder. Sowohl die Prüfung des Vertrags, als auch das Prüfen der eigenen Studienunterlagen und der Stellenbeschreibung können Anwälte der IG BCE bzw. des DGB kostenlos für Mitglieder erledigen.

Stellt sich dabei heraus, dass ein Anspruch besteht und der Arbeitgeber diesen nicht gewähren will, hilft die IG BCE auch bei der Durchsetzung der Ansprüche.  


Welche Möglichkeiten haben Betriebsräte ihr Mitarbeiter zu unterstützen?

Wenn Arbeitgeber strikt zwischen anspruchsberechtigten Akademikern und nicht anspruchsberechtigten übrigen Außertariflichen Mitarbeitern unterscheiden, geht das oft zu Lasten des Betriebsfriedens.

Man stelle sich vor: Zwei Mitarbeiter arbeiten auf identischen Stellen mit identischen Anforderungen. Der eine hat seinen Abschluss an der Universität und der andere an der Fachhochschule gemacht. Der eine würde Altersfreizeit erhalten, der andere nicht.

Meiner Ansicht nach, kann sich ein Unternehmen eine solche Position nicht lange erlauben, ohne das Mitarbeiter aufbegehren und das Unternehmen verlassen oder zumindest innerlich kündigen.

Die Förderung des Betriebsfriedens ist in diesem Falls das beste Argument des Betriebsrats um Verhandlungen zu einer Betriebsvereinbarung mit dem Unternehmen aufzunehmen, welche die Altersfreizeit für alle AT Mitarbeiter regelt und sich dabei auf den MTV Akademiker bezieht.

Altersfreizeit in Teilzeit

Am 12. März 2019 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) ein Urteil zu Altersfreizeit in Teilzeit gefällt (Aktenzeichen: 1 AZR 307/17).

Entgegen der bisherigen Auffassung stellte das BAG fest, dass auch Teilzeitkräfte anteilig Anspruch auf Altersfreizeit entsprechend der geltenden betrieblichen Regelungen haben.

Kurz gesagt bedeutet dies, dass wenn der MTV Akademiker für mich gilt ich auch dann Anspruch habe, wenn ich weniger als 35 Stunden pro Woche arbeite. Das Urteil ist rechtskräftig, es wurde nicht dagegen vorgegangen.

Bei der Klärung , ob die Altersfreizeit in Teilzeit für Euch in Frage kommt, hilft Euch gerne Euer IG BCE Bezirksbüro.

Wenn ihr oder euer Gremium mehr über das Thema Altersfreizeit oder AT Themen generell erfahren wollt, dann schreibt mir. Gerne stimme ich mit Euch ab, wie und wann ich Euch am Besten helfen kann.

Viele Grüße
Euer
Sascha

von Sascha Held 2. April 2020
Die COVID 19 Pandemie hält die Welt in Atem. Die Gesundheitssysteme in vielen Ländern stehen vor dem Kollaps. Um sie zu entlasten gelten massive Einschränkungen für Menschen überall auf der Welt. Die Weltwirtschaft steht vor Herausforderungen wie vielleicht noch nie zuvor. Gerade jetzt in dieser Krise, wenn es auf schnelle Entscheidungen von Betriebsrat und Unternehmensvertretern ankommt, stehen Betriebsräte vor dem Problem, wie Sie schnell und vor allem rechtsicher Beschlüsse fassen sollen ohne sich physisch treffen zu dürfen. Natürlich wird es das ein oder andere Gremium geben, dass sich einfach trotzdem trifft, oder über entsprechend große Räumlichkeiten verfügt, um unter besondere Hygienevorkehrungen zu tagen. Das dürfte aber die absolute Ausnahme sein. Alle anderen stehen vor dem Problem: Wie führe ich eine Betriebsratssitzung durch, und erhalte rechtsichere Beschlüsse? Eine Ministererklärung als schelle Lösung Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat dieses Problem erkannt. Minister Hubertus Heil hat eine Ministererklärung abgegeben, und damit seine Meinung kundgetan, dass in der Krise unter bestimmten Voraussetzungen auch die Beschlüsse virtueller Betriebsratssitzungen gültig seien. Die Ministerialerklärung findet ihr unter folgendem Link: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Meldungen/2020/ministererklaerung-arbeit-der-betriebsraete-unterstuetzen.pdf Eine Rechtsicherheit hat man damit leider nicht. Bereits jetzt wird die Erklärung im Internet sehr kontrovers diskutiert. Tipps zur Umsetzung gibt es unter anderem von Dr. Peter Wedde unter folgendem Link: https://www.bund-verlag.de/betriebsrat/aktuellesbr~7-Fragen-zur-Betriebsratsarbeit-waehrend-der-Corona-Krise~ Nichts desto trotz bleibt ein Restrisiko. Selbst wenn sich Unternehmen und Betriebsrat einig sind, ist es fraglich wie Gerichte entscheiden, sollte ein Mitarbeiter, der von einer Regelung wie z.B. Kurzarbeit betroffen ist klagen. Rechtssicherheit könnte nur eine (vorübergehende) Gesetzesänderung des BetrVG schaffen. Diese wiederum ist unter Betriebsräten umstritten. Während die einen dies wollen, befürchten die anderen ein Einfallstor zur dauerhaften Beschneidung ihrer Rechte als Betriebsräte. Eine clevere Lösung - Anwendung des §28a BetrVG Während in Berlin und Bonn noch diskutiert wird, hat der Gemeinschaftsbetriebsrat Merck das Problem für sich anderweitig gelöst. Noch bevor der Lockdown ausgesprochen wurde, hat der Betriebsrat erkannt, dass es in den kommenden Wochen aller Voraussicht nach keine physischen Betriebsratssitzungen mehr geben wird und hat drei Arbeitsgruppen nach §28a die „COVID-BA“ geschaffen. Diesen COVID-BA wurden sämtliche geschäftsführenden Tätigkeiten des Betriebsrats übertragen. Im Gegensatz zum Betriebsausschuss ist es über den §28a BetrVG auch möglich den Abschluss von Betriebsvereinbarungen auf eine Arbeitsgruppe zu delegieren. Daher wurden die COVID-BA auch mit dem Recht ausgestattet Betriebsvereinbarungen zur Bewältigung der Corona Krise abzuschließen. Jede Arbeitsgruppe besteht nur aus 5 Mitgliedern. In jeder Woche ist nur eine Arbeitsgruppe physisch anwesend. Die anderen (freigestellten) Mitglieder des Betriebsrats befinden sich im Homeoffice. Auf diese Weise wird auch sichergestellt, dass im Falle einer Infektion eines Betriebsrats nur ein Teil der Mannschaft unter Quarantäne gestellt werden kann. Des Weiteren ist der jeweils aktive COVID-BA sehr flexible und kann jederzeit tagen. Sogar täglich, wenn es der Abschluss von schnellen Regelungen Bedarf. Dieses Vorgehen verlangt natürlich ein hohes Vertrauen des Betriebsratsgremiums. Immerhin wird die Entscheidungskompetenz auf wenige Mitglieder reduziert. Im Gemeinschaftsbetriebsrat Merck ist dieses aber vorhanden. Der Betriebsrat selbst wird jede Woche in einer Telefonkonferenz über den aktuellen Stand informiert. Die Mitglieder bringen Informationen aus ihren Bereichen ein, stellen Fragen und geben Anregungen zu neuen Regelungen an die Mitglieder der COVID-BAs. Merck fährt mit diesem Vorgehen sehr gut. Entscheidungen werden schnell gefällt, Mitarbeiter und Unternehmen sind sehr zufrieden und es besteht eine 100-prozentige Rechtssicherheit. Was können wir für Euch tun? Wie läuft es in euren Unternehmen? Kommt ihr gut durch die Krise? Wie verhält sich Euer Arbeitgeber? Gibt es Fragen, die ihr gerne näher ausgeführt hättet? Dann meldet Euch bei uns. Schreibt einfach an: info@pro-br.net . Wir freuen uns auf Eure Fragen und Anregungen. Oder hinterlasst uns hier einen Kommentar.
von Sascha Held 15. Dezember 2019
Wie bei jedem Seminar, dass ich zum ersten Mal halte, war ich auch diesmal ein wenig nervös. Habe ich im Konzept die richtigen Themen vorgesehen? Ist es ein guter Mix aus Theorie und Praxis? Beim Arbeitszeitseminar gab es letztes Jahr die Rückmeldung, dass es etwas zu Powerpoint lastig war. Das wollte ich unbedingt vermeiden. Wenn ich mir das Feedback der 15 Teilnehmer anschaue, welche ich vom 12. - 13. Dezember in Rossdorf bei Darmstadt schulen durfte, scheint das Konzept gelungen zu sein. Die Teilnehmer waren, wenn man ihrem Feedback glauben darf, rundum zufrieden. Das freut mich unheimlich, denn das Wichtigste für mich ist die Zufriedenheit meiner Teilnehmer. Da lohnt es sich dann auch, wenn man nach Seminaretag eins noch die halbe Nacht nutzt, um Tag zwei besser auf die Erwartungshaltung der Teilnehmer anzupassen. Dennoch werde ich beim nächsten Mal versuchen, an der ein oder anderen Stelle mehr Praxisbezug einzubauen. Für 2019 war dies das letzte Seminar von ProBR im Auftrag der IG BCE BWS. Wenn ich auf die Seminarreihe, welche wir von Ende 2017 bis heute durchgeführt haben, zurückblicke haben wir gemeinsam viel erreicht. Insgesamt haben wir über 80 Betriebsräte fit für ihre Aufgaben in der Interessensvertretung von AT Beschäftigten gemacht. Wir haben nicht nur Grundlagen geschult, sondern uns auch an die Fachthemen Arbeitszeit und Entgelt gewagt. Die Resonanz und langen Wartelisten zeigen uns, dass es noch viel Bedarf gibt. Daher freut es mich sehr, dass die IG BCE die Seminarreihe auch in 2020 erneut zusammen mit uns anbieten will. Wenn wir es hinbekommen, wollen wir sogar noch eins drauf setzen und zumindest die "Grundlagen" als Webinar anbieten. Das soll die Inhalte auch all denjenigen zugänglich machen, die es aufgrund ihrer beruflichen oder privaten Situation schwer haben, sich für einige Tage zu einem Seminar zu begeben. Bis dahin bleibt mir nur all denjenigen Danke zu sagen, ohne die diese Reihe nicht existiert hätte. Dem für Bildung zuständigen Sekretär im IG BCE Landesbezirk Hessen-Thüringen Philipp Mundt, meiner Co-Referentin Barbara Wirth, dem Team1 der IG BCE BWS (allen voran Marion Köhler und Arthur Fischer), sowie allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Vielen Dank, es hat mir viel Spaß gemacht. Ich wünsche Euch allen eine gesegnete Weihnachtszeit und einen guten Start ins Jahr 2020 Euer Sascha
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von Sascha Held 13. November 2019
Neues Netzwerk verbindet Betriebsräte. Plattform zum Austausch und Seminar.
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